Tanzworkshop

Als Ende letzten Jahres in der Grünen Hölle (Forum von www.herr-der-ringe-film.de) die Idee Gestalt annahm, in Anlehnung an die supertollen Tanzworkshops auf der Ring*Con ein ganzes Tanzworkshop-Wochenende zu veranstalten, war ich sofort Feuer und Flamme! Als Miriel, die das Ganze organisieren wollte, dann auch noch verkündet hat, es würde auf einer Burg stattfinden und wie auf der Ring*Con wieder von Bella geleitet werden, war ich natürlich eine der Ersten, die „Hier! Ich!“ brüllten.

Letztes Wochenende war es endlich soweit. Die Tage davor hatte mich mein Gewissen schwer geplagt und hatte mir einreden wollen, dass es nicht so eine tolle Idee sei, zweieinhalb Wochen vor den Abschlussprüfungen in Tiermedizin und Buchführung einfach mal ein Wochenende die Bücher zuzuschlagen und wegzufahren. Aber sobald ich mich Donnerstag Abend in die Reisevorbereitungen stürzte, überrollte die Vorfreude das schlechte Gewissen. Ich legte meine CD „A Trip to Killburn“ auf und machte mich fröhlich summend ans Kuchen backen, denn auf der letzten Ring*Con hatte ich Bella versprochen, ihr beim nächsten Mal einen Kuchen als Dankeschön für den tollen Workshop mitzubringen, auch wenn ich damals noch dachte, das nächste Mal würde erst die nächste Ring*Con sein ;-)

Der Workshop sollte auf Burg Lohra in Thüringen stattfinden, und dank Auto und Navi von meinem Chef (danke!!!) haben wir unseren Weg auch prima gefunden, zumindest bis Großlohra. Wir, das waren übrigens neben meiner Wenigkeit noch meine Freundin Lilli aka Merowyn, meine Ring*Con-Zimmerpartnerin Christiane aka Oloriel und Charlotte aka Tamira, die keiner von uns bisher kannte, aber das bleibt bei solchen Veranstaltungen ja nie lange so. Und dann hatten wir noch einen kleinen, flauschigen Mitfahrer namens Stups, seines Zeichens Feldhasenbaby und seit Karfreitag mein Pflegekind. Er hat die Fahrt entgegen meiner Befürchtungen prima überstanden, war überhaupt nicht panisch, sondern beschnupperte auf den Hinterpfoten stehend immer wieder Oloriel und Tamira.

Auf dem letzten Stück des Weges kamen wir durch wirklich süße kleine Dörfchen mit windschiefen Fachwerkhäusern und engen, verwinkelten Gässchen. In „Groß“lohra (ein Dorf mit schätzungsweise 700 Einwohnern) angekommen, entdeckten wir auch schnell die Burg oben auf dem Berg. Tschoah, aber wie sollten wir da hoch kommen? Nachdem wir einen netten Einheimischen nach dem Weg gefragt hatten, holperten wir über einen… Weg, wobei dieses Wort noch eine Übertreibung ist. Ich fühlte mich augenblicklich an Hugo erinnert, mein erstes Computerspiel, das mit dem Nummernfeld gesteuert wurde. „Die 4, die 4!!! Da rechts ist ein Schlagloch!!! Jetzt die 6, die 4, die 6!!!“ So in etwa sahen meine Versuche aus, zumindest den tiefsten Kratern auszuweichen.

Aber dann lag die Burg endlich vor uns. Wobei uns als Erstes durch den Kopf ging: Burg? Wo? Denn alles, was zeigte, dass wir unser Ziel erreicht hatten, war eine Sackgasse vor uns, einige Wohngebäude rechts von uns, die zwar nicht mehr neu waren, aber sicher auch nicht mittelalterlich, linkerhand einige halb verfallene Stallungen, vor denen eine große Anzahl Gewandeter herumlief und am Wegrand mindestens 60 geparkte Autos. Das ließ uns zum zweiten Mal stutzen: Waren wir sooooooviele Leute?

Später klärte sich auf, dass die Gewandeten eine Gruppe von Liverollenspielern waren und die Burg für das Wochenende eigentlich komplett gemietet hatten, um hier ein LARP von Drakenstein zu veranstalten. Als sie hörten, dass parallel zu ihrem Larp hier noch ein Tanzworkshop stattfinden sollte, waren sie zuerst alles andere als begeistert, und ihnen kamen grausige Vorstellungen von HipHop und Discomucke. Genauso begeistert waren wir, als wir erfuhren, dass wir auf dem Burggelände nicht herumlaufen sollten, um das Spiel nicht zu stören, und dass man uns einen kleinen, kargen Raum mit Steinboden zum Tanzen zugeteilt hatte.

Dann kam aber alles ganz anders, und die Larper erwiesen sich als glücklicher Zufall! Nachdem Bellas Mann Canard ahnungslos in Gewandung über das Burggelände marschiert und von den Larpern verhaftet worden war, weil sie glaubten, es handele sich um einen feindlichen Söldner, kamen beide Gruppen ins Gespräch und machten einen Kompromiss: Die Larper statteten die drei oder vier Leutchen aus unserer Gruppe, die nur Alltagskleidung dabei hatten, mit Umhängen, Gugeln und Schnürbundhosen aus, luden uns ein, uns abends zu ihnen in die Taverne zu gesellen und überließen uns einen wunderschönen, riesengroßen Speicherraum im alten Teil der Burg (denn eine Burg gab es tatsächlich, sie lag nur etwas bergab der Stallgebäude, weshalb wir sie zuerst nicht gesehen hatten), und Bella bot den Larpern dafür an, nach Lust und Laune bei uns mitzutanzen.

Zuerst einmal bezogen wir aber unsere Zimmer. Hier war auch irgendwie alles anders, als es angekündigt war. Statt eines 3-Bett-Zimmers hatten wir 4 Betten, was Ramona aka Feliciana gerade recht kam, da in dem Zimmer, was sie vorläufig mit Korona bezogen hatte, die Heizung kaputt war, deshalb hat sie sich ganz schnell zu uns gesellt. Wirklich bringen sollte ihr das dann allerdings nichts, da unsere Heizung zwar funktionierte, allerdings selbst auf der höchsten Stufe nicht über lauwarm hinaus kam und nachts sogar eiskalt wurde, Sparmodus anscheinend. Neben Merowyn, Feliciana und mir sollte in unserem Zimmer noch Marcel schlafen, doch der war zu diesem Zeitpunkt noch nicht angekommen, und um uns zu beweisen, dass wir uns wirklich fernab aller Zivilisation befanden, war die Burg entweder völlig hermetisch abgeriegelt, oder wir waren tatsächlich zu weit von irgendwelchen Sendemasten weg, jedenfalls suchten die meisten Handys vergeblich nach Empfang, so dass Marcel nicht mal hätte anrufen und nach dem Weg fragen können. Wir wähnten ihn schon irgendwo verloren im Wald auf der Suche nach der Burg, konnten aber vorerst nichts machen.

Also sind wir erst mal zu unserer ersten Tanzstunde aufgebrochen. Bella hatte uns erklärt, dass wir das Burggelände bitte mit verkreuzten Armen überqueren sollten, damit uns die Larper nicht versehentlich anspielen würden, so wie sie es bei Canard getan hatten. Arme über Kreuz bedeutet in der Larp-Welt anscheinend, dass man gar nicht wirklich da ist. Ganz so einfach war das allerdings nicht, denn es war mittlerweile stockfinster, und außer den erleuchteten Fenstern der Taverne konnte man rein gar nichts sehen, und wir kannten ja das Gelände nicht. Im Dunkeln mit überkreuzten Armen einen steinigen und teilweise rutschigen Abhang hinunter zu laufen ist so richtig klasse, müsst Ihr unbedingt mal ausprobieren... oder besser nicht. Meine Augen haben sich etwas schneller an die Dunkelheit gewöhnt als die der Anderen, weil ich ja mit Helmchen abends auch immer im Dunkeln am Hafen spazieren gehe. Als ich plötzlich meinte, „Passt auf, dass Ihr nicht links von der Brücke fallt, hier ist nur rechts eine Mauer!“, sind einige wie angewurzelt stehen geblieben und haben sich erst mal gar nicht mehr weiter gewagt, weil sie nicht mal bemerkt hatten, dass wir uns überhaupt auf einer Brücke befanden! Zum Glück hat sich keiner von uns was getan, im Gegensatz zu den Larpern, wo ein Spieler in genau der gleichen Situation, also Dunkelheit und unbekanntes Gelände, dem kleinen Graben zwischen Pfad und Taverne zum Opfer gefallen ist und direkt am ersten Abend ins Krankenhaus musste. Aber auch er hatte Glück im Unglück und hat sich nichts gebrochen, nur schmerzhaft verstaucht!

Das, was wir in der Dunkelheit dann von der eigentlichen Burg erkennen konnten, war gar nicht mal klein. Mitten auf dem Burghof stand Bella mit einem Licht und rief jedem neuen Trüppchen, das durch das Burgtor kam, entgegen: „Grüne Hölle, hier entlang!“. Was da wohl die Larpspieler gedacht haben, die noch nichts von uns wussten?  Unser Tanzraum war einfach spitze. Er hatte zwar zwei Reihen tragender Balken in der Mitte des Raumes, aber er war sooooo schön. Und zwei große Schiebetore, die früher wohl mal als Zugang zu einem Flaschenzug dienten, gab es auch. Von da aus hatten wir einen herrlichen Ausblick über das Gelände! Außer mir fanden ihn alle zu kalt, ich hatte beim Tanzen dauernd eiskalte Händchen zu wärmen *g*. Mir ist ja schon oft das Phänomen aufgefallen, dass ich in Gewandung einfach nicht friere. Ich kann Goretex-Winterstiefel an den Füßen haben und zwei Leggins plus Jeans, Rollkragenpulli und Fleece-Shirt mit Winterjacke und bibbere trotzdem vor Kälte, aber in meinen dünnen Lederstiefeln, meinem Rock und meiner Tunika ist mir immer warm, ich habe keine Ahnung, wieso ;-)

Während der ersten Tänze mussten viele erst einmal auftauen, und damit meine ich nicht unbedingt die Körpertemperatur. Kaum einer kannte den Anderen, und obwohl einige von uns schon richtig ordentliche Tanzerfahrung hatten, hatten die meisten höchstens mal bei einem von Bellas Workshops auf der Con mitgemacht, wenn überhaupt. Bella hatte raffinierterweise als ersten Tanz einen Branle de Chandeliers ausgewählt, wo einige Leute Kerzen vor sich her trugen und sich damit einen Tanzpartner suchten, mit dem einige Schritte tanzten und sich gegenseitig vorstellten. Dann übergab man die Kerze an den Tanzpartner, stellte sich an den Rand, und der Tanzpartner suchte sich jemand Neuen. So hatten wir nach dem ersten Tanz zumindest die meisten Namen schon einmal gehört, die uns während des Wochenendes noch geläufiger werden sollten. Und dank Bellas ansteckender Fröhlichkeit waren wir alle schnell „aufgetaut“ und plappernden in den Tanzpausen munter durcheinander. Zum Pflicht-Programm am ersten Abend gehörte natürlich auch die Chappeloise. Yay, ich mag diesen Tanz! Zum Einen wird einem richtig schön warm dabei, weil man ständig läuft, hüpft oder sich dreht, und zum Anderen ist er so herrlich einfach und bringt deshalb jedem Tanzanfänger ein tolles Erfolgserlebnis, weil es einfach auf Anhieb klappt! Das konnte man von den ersten Longways (Reihentänze) an diesem Abend nicht unbedingt sagen, da haben wir meistens zwei oder drei Anläufe gebraucht, bis die einzelnen Figuren so richtig saßen. Aber wenn das dann erst mal geschafft war, machten sie auch irre viel Spaß.

Plötzlich klingelte zwischen zwei Tänzen mein Handy, und Tatsache: Hier oben im Tanzsaal hatte ich wunderbaren Empfang! Marcel war dran und erzählte, dass er gerade erst von der Arbeit gekommen sei und erst Samstag früh losfahren würde, da er den Weg jetzt eh nicht mehr finden würde. Kluge Entscheidung, also doch nicht im Wald verloren gegangen.

Nach dem Tanzen sind die meisten von uns noch in die Larp-Taverne gegangen. Mich hat es ja wirklich auch in den Fingern gejuckt, zumal mich Larp seit langer Zeit interessiert und ich einem aktiven Larp noch nie so nahe war wie an diesem Wochenende, aber bei mir hat dann doch die Vernunft gesiegt und mich auf unser Zimmer geschickt. Erstens war die Autofahrt nämlich relativ anstrengend gewesen (lauter bekloppte Autofahrer und LKW, die den Blinker nur zur Zierde haben) und machte sich jetzt bemerkbar, und zweitens musste ich dringend Stups füttern, und mir war klar, dass ich in der Nacht alle 3 Stunden aufstehen und ihn wieder füttern musste, deshalb kroch ich sehr bald ins Bett. Im Endeffekt hätte ich allerdings auch mit in die Taverne gehen können, denn als Merowyn und Feliciana um halb 3 ins Zimmer kamen (oder besser: torkelten *fg*), lag ich eh immer noch frierend wach und versuchte, meine klappernden Zähne zu beruhigen. Zwar hatte ich mir extra ein Schaffell mitgebracht, das hat mich wahrscheinlich auch vor einer Erkältung bewahrt, aber die Matratze war völlig durchgelegen, so dass ich mir vorkam, als läge ich in einer Hängematte, nur dass die gewöhnlich keine Metallfedern hat, die sich in den Rücken bohren. Die Zudecke war so kurz, dass entweder unten die Füße oder oben die Schulter heraus guckten, und dank der eiskalten Heizung konnte man im Zimmer fast den Atem sehen! Irgendwann bin ich dann aber doch noch eingeschlafen.

Samstag morgen bin ich völlig gerädert und durchfroren aufgewacht. Nach dem letzten Füttern gegen 5 Uhr morgens hatte ich Stups aus seinem Käfig gelassen und ihn durchs Zimmer hoppeln lassen. Ihn wieder einzufangen, war gar nicht so einfach, denn obwohl er bei mir Zuhause total zahm ist, machte er hier überhaupt keine Anstalten, unter Felicianas Bett hervor zu kommen, da gefiel es ihm anscheinend sehr gut. Nach diversen Verrenkungen und einigen halblauten Flüchen, auf die Feliciana nur mit einem unverständlichen Brummen reagierte, hatte ich den Kleinen aber eingefangen und sicher im Käfig verstaut, wo er sich auch prompt in seine Decke kuschelte.

Nach ewigem heiß-kaltem Duschen war ich dann wach genug, um mich in den Frühstücksraum zu schleppen, wo ich aber mit den Tischdienstlern erst mal fast alleine war, und als dann nach und nach die Anderen eintrudelten, sahen viele Gesichter so aus, als wären Merowyn und Feliciana nicht als einzige zu lange in der Taverne geblieben ;-)

Kurz nach dem Frühstück trudelte dann auch Marcel endlich ein und fühlte sich in seinen Jeans und Lederjacke erstmal wie ein Alien. Einer seiner ersten Gänge war dann der zur Spielleitung des Larp, wo er mit Hose und Gugel ausgestattet wurde. Jetzt waren wir endlich vollzählig, wenn auch eine Teilnehmerin (Broilermaid) wegen Krankheit hatte absagen müssen und ausgerechnet unsere fleißige Organisatorin Miriel musste verschnupft und kränkelnd von einer Sitzbank aus zusehen, statt mitzutanzen.

Auf dem Weg zum Tanzraum konnten wir die Burg dann mal bei Tageslicht in Augenschein nehmen. Richtig hübsches Gemäuer, und ähnlich wie bei der Eyneburg mehr eine Mischung aus Burg und Bauernhof, schön ländlich, so was mag ich!

Von 10-12 Uhr haben wir Tänze von Playford getanzt. Naja, eigentlich hat Playford die Tänze nicht erfunden, aber er hat sie gesammelt und ein großes Tanzbuch herausgebracht, ähnlich wie die Gebrüder Grimm mit ihren Kinder- und Hausmärchen! Am Spaßigsten fand ich Gathering Peascods, den Tanz vom Erbsenflücken. Bella hat erzählt, dass die Adligen sich die Arbeit der Bauern damals in ihrer Phantasie genau so verschönt vorgestellt haben, wie die Bauern sich das Leben der Adligen. Demnach war Erbsenpflücken eine wunderbar spaßige Angelegenheit, wo viel gelacht, getanzt und ab und zu mal mit einem Händeklatschen *klapp* eine Erbse vom Strauch gepflückt wurde. Genau so sieht der Tanz dann auch aus: Viel Gehopse im Kreis, viel Klatschen und viel Drehen... ich hatte nach den ersten Runden schon einen richtigen Drehwurm, konnte aber trotzdem einfach nicht aufhören!

Zwischen den Tänzen haben wir immer mal durch unser Schiebetor nach draußen geschaut, dort tobte ein Gemetzel unter den Larpern, und wir hatten quasi Logenplätze *g*.

Um 13 Uhr gab’s Mittagessen, und obwohl ich eigentlich nichts gegen Fleisch habe, war ich wirklich froh, mich für dieses Wochenende als Vegetarierin eingetragen zu haben. Mensch, war der Broccoli-Auflauf lecker! Die Fleischesser unter uns hatten Bratwürsten, die sahen ehrlich gesagt nicht so dolle aus. Aber der Auflauf war super, und ich habe viel zuviel davon gegessen und war nach dem Essen dementsprechend schläfrig...

Zum Glück waren nachmittags die Empire-Tänze an der Reihe, also hauptsächlich Longways in der Art, wie sie zum Beispiel in dem Film „Stolz und Vorurteil“ vorkommen. Holla, wie viel Durcheinander musste Bella da erst entwirren, bis die richtig klappten! Aber als sie dann saßen, haben sie einfach nur uuuuuuuunglaublich viel Spaß gemacht, und wenn ein Stück auf der CD zu Ende war, riefen wir mehr als einmal „Nochmaaaaaaal!“ und legten noch mal von vorne los. Vor allem der Comical Fellow (bei dem mein Gegenüber und ich es nie geschafft haben, über 3 mal klatschen hinaus zu kommen) und die Wakefield Hunt mit ihren tollen Törchen gehen mir jetzt immer noch nicht aus dem Kopf, und ich erwische mich ständig beim Nachsummen der Melodien. Leider habe ich von beiden Tänzen keine Fotos. Ich hoffe noch darauf, dass Miriels Videokamera einige der Tänze eingefangen hat!

Der Nachmittag ist dadurch auch gerade vorbei gerast, und plötzlich gab es schon Abendessen, obwohl ich noch pappsatt vom Mittagessen war. Kurz vor dem Abendessen durften wir dann aber mal ganz offiziell die Teile der Burg besichtigen, um die wir bisher einen Bogen gemacht hatten, weil das Larp dort in vollem Gange war. Von innen ist die Burg wirklich sehr renovierungsbedürftig, und viele Gebäudeteile sind schon zu Ruinen zerfallen. Richtig beeindruckend ist die kleine Kapelle mit ihren steinernen Bögen, und um die Kapelle herum stehen so viele Torbögen und treppenartige Mauerreste scheinbar willkürlich in der Gegend, dass ich mich direkt an das Treppenhaus von Graf Grisenstein im „Geheimnis des siebten Weges“ erinnert fühlte. Im traumhaften Licht der untergehenden Sonne sind mir da glaube ich auch ein paar nette Fotos gelungen, aber so richtig durchgeschaut habe ich die Bilder vom Wochenende noch nicht, denn es sind fast 400. Am Burgtor trafen wir auf zwei besonders gut gelaunte Gestalten, die man für Hobbits hätte halten können, wären sie nicht fast einen Kopf größer gewesen als ich. Sie purzelten durch die Gegend und fragten jeden, den sie trafen, nach Pfeifenkraut. Tatsächlich haben sie dann irgendwo welches bekommen, und was immer es war, Tabak alleine war das nicht *g*.

Nach dem Abendessen studierten wir auf „Flaming Red Hair“, also das Musikstück, dass im Herrn der Ringe während Bilbos Geburtstagsparty läuft, einen Tanz ein, dessen Schritte sich Bella selbst ausgedacht hat. Zuerst haben wir uns in klassischer Tanzhaltung aufgestellt, was ich ja noch nie gemacht hatte, und ich war mir sicher, ich würde Marcel, mit dem ich den Tanz begonnen habe, bei meinem Geschick sicher tausendmal auf die Füße latschen. Aber dann riss uns die Musik einfach mit, und es lief ziemlich gut, auch wenn anschließend so ziemlich jeder einen Drehwurm hatte *grins*. Zwischendurch wurde auch zweimal der Tanzpartner gewechselt, und am Schluss eumelten wir Seite an Seite im Kreis herum und schwenkten unsere Arme wie übergroße Kerzenleuchter, das sah sicher extrem lustig aus!

Und dann kamen die Larper! Die Tür zum Tanzraum ging in kurzen Abständen mehrmals auf und zu, und plötzlich rief irgendwer aus unserer Gruppe das, was wir alle dachten: „Coooool, die haben echte Männer!!!“ :-D

Man muss dazu sagen, dass wir bis dahin etwa 30 Frauen und 4 Männer gewesen waren und die meisten der größeren Mädels, also auch ich, häufig die Männerschritte hatten tanzen müssen. Und plötzlich hatten wir Männer im Überfluss, bei den Larpern war das Geschlechterverhältnis nämlich umgekehrt, und so hatte jeder von uns die Möglichkeit, mal als Frau mit einem richtigen Mann zu tanzen, und die weiblichen Larper verteilten sich auf unsere vier Männer.

Hach, das war schon toll! Zuerst haben wir wieder einmal die Chappeloise getanzt, und mit so vielen Menschen macht die doch gleich noch einmal soviel Spaß! Mittlerweile waren wir ungefähr 50 Leute in dem Raum, und ich hatte zuerst die Befürchtung, dass Bella nie im Leben gegen diese Horde würde anbrüllen können. Musste sie aber auch gar nicht! Zwar summte und brummte es in den Pausen zwischen den Tänzen wie in einem Bienenstall, aber insgesamt – und das sagt Bella sogar selbst – waren wir ein richtig diszipliniertes Völkchen. Nach der Chapelloise haben wir uns an verschiedene Longways gewagt, zuerst an die Galopede, das war ein Erlebnis! Die Länge des Raumes reichte wirklich gerade so für uns alle aus, und in dem Tanz kommt immer wieder der Zeitpunkt, wo das oberste Paar in nur 16 Takten bis ans andere Ende der Reihe galoppieren muss. Nicht wenige sind da ziemlich schlitternd einige Zentimeter vor der Wand zum stehen gekommen. Ich hatte meine Kamera einem Ritter in gelb-schwarz (oder gelb-blau, da bin ich mir nicht mehr sicher) umgehängt und ihn gebeten, doch ein paar Fotos zu machen, weil er eh nicht mittanzen wollte. Ihm sind auch echt ein paar tolle Aufnahmen gelungen, das habe ich schon beim Überfliegen gesehen! Irgendwann rief jemand vom anderen Ende des Longways zu mir herunter, ob ich denn auch Fotos machen würde, und ich meinte grinsend, dafür hätte ich meine Leute. Und was macht der Ritter? Sinkt auf ein Knie und neigt den Kopf. Hach! Wenn ich nicht vom Tanzen eh schon so gerötete Wangen gehabt hätte, wäre ich wahrscheinlich rot angelaufen wie eine Tomate... Wieso muss man immer erst in Mittelalter- oder Fantasywelten reisen, um galanten Männern zu begegnen? Gerade heute in der Schule habe ich mich das wieder gefragt, als ich hinter einem jungen Mann das Gebäude betreten wollte, und er sich die Tür gerade weit genug aufzog, um selbst hindurch zu kommen und sie dann vor meiner Nase hinter sich zufallen ließ. Hmpf!

Der Samstag Abend war jedenfalls mein Highlight des Wochenendes. Es wurde ein super lustiger Tanzabend, und wir haben lange lange getanzt, ich habe gar nicht auf die Uhr geschaut. Zwischendurch musste ich einmal ins Wohngebäude huschen, um Stups zu füttern, und am Schluss haben die Lampen ausgeschaltet und den Abend mit einer Folia nur im Kerzenlicht ausklingen lassen, das war eine ganz tolle Atmosphäre, und ich hoffe, meine Fotos sind trotz nicht vorhandenem Stativ etwas geworden. Ich habe mich einfach nicht getraut, den Blitz zu benutzen, weil ich die tolle Stimmung nicht zerstören wollte!

Trotz des langen Tanzens sind fast alle noch mit den Larpern in der Taverne verschwunden, und ich wäre soooo gerne mitgegangen, vor allem weil ich langsam zu glauben begann, dass der Raum von innen magisch vergrößert sein musste, denn von außen wirkte er, als hätten dort höchstens 15 Leute drin Platz. Aber wieder hielten mich meine Hasenmutter-Pflichten davon ab, also verkroch ich mich im Bett, diesmal vorsorglich mit sämtlichen Kleidungsstücken, die mein Koffer her gab. Ich sah wahrscheinlich aus wie das Michelin-Männchen, als ich unter die Decke schlüpfte, aber immerhin: Ich habe in dieser Nacht nicht gefroren!

Schuld daran konnte aber auch der warme Frühlingswind sein, der am Samstag Abend herangeweht kam, denn als ich Sonntag zum ersten Mal vor die Tür ging, waren die letzten Schneereste fast geschmolzen, die Sonne strahlte vom blauen Himmel herunter, und der Wind war herrlich warm, so als würde der Frühling mich fröhlich umarmen! Schwups war alle Müdigkeit vergessen, und es tat mir jetzt schon leid, dass heute der letzte Tag sein sollte. Zum Frühstück waren diesmal nur eine handvoll Leute aufgetaucht, die meisten lagen wohl noch verkatert in ihren Betten. Merowyn und Feliciana sahen diesmal nicht ganz so mitgenommen aus wie nach ihrem ersten Tavernenabend, aber wirklich wach konnte man ihren Zustand auch nicht nennen, und es bedurfte zweier durch Marcel vom Frühstückstisch stibitzter Brötchen und kräftigem Scheuchen von meiner Seite, um die beiden dazu zu bewegen, um 10 Uhr mit rüber zum Tanzen zu kommen. ;-)

Es musste wohl richtig toll gewesen sein in der Taverne, mit auf dem Tisch tanzenden Elfen und singenden Zwergen. Hach Mensch, ich wäre gerne mitgekommen. Meine mitunter schönsten Erinnerungen an Mittelalterlager sind die, wo wir abends alle zusammen rund ums Lagerfeuer auf der Eyneburg saßen und dem Skalden gelauscht haben, wie er ein Lied nach dem Anderen spielte. Das fehlt mir so... Wenn ich mit in die Taverne gegangen wäre, hätte ich den beiden Zwergen sicherlich „Gute Nacht, kleiner Zwerg“ vorgesungen und wäre dafür wahrscheinlich wüst beschimpft worden, denn aus irgendeinem Grund finden Zwerge dieses Lied immer weniger lustig als unsereiner *g*.

Die letzten zwei Tanzstunden gingen dann viel zu schnell vorbei. Wir haben noch einmal die schönsten Longways, den Hobbittanz und natürlich auch die Chapelliose getanzt, und alles, was uns bei unseren ersten Versuchen so schwer gefallen war, ging uns jetzt mit kleiner Erinnerungsauffrischung von Bella richtig leicht von der Hand. Natürlich erleichterte es die ganze Sache auch, dass wir mittlerweile mit Begriffen wie Double, Rounde, Mühle, Drei-Hände-Kette, Dos-a-dos und dergleichen vertraut waren und Bella nicht mehr rufen musste, „Und jetzt fasst Ihr Euer gegenüber an den Händen und geht in vier Takten einmal im Uhrzeigersinn im Kreis“. Ich hoffe nur, dass ich das alles bis zum nächsten Tanzworkshop nicht schon wieder vergessen habe!

Das Mittagessen, das den Abschluss unseres Wochenendes bildete, wollte ich ja eigentlich ausfallen lassen, weil ich von warmem Essen ja immer so müde werde und an die weite Autofahrt dachte, bei der es etwas problematisch geworden wäre, wenn ich am Steuer eingeschlafen wäre. Aaaaaaaaber es gab Kartoffelspalten mit riesigen gefüllten Champignons (Mushroooooooooooooooms!!!), und das ging ja mal gar nicht, dass ich da nicht zugelangt hätte ;-)

Oloriel, Tamira, Marcel, Merowyn und ich hatten die letzte Schicht Tischdienst. Leider zerplatzte unsere Seifenblase, in der wir uns ausgemalt hatten, dass wir – wie alle vor uns – einfach nur Teller und Besteck spülen, abtrocknen und stapeln müssten, sobald die Frau vom Catering-Service herein kam und uns mitteilte, dass sie bitteschön auch sämtliche Töpfe, Schüsseln, Tupper-Waren, Saftkrüge und überhaupt alles, was sich übers Wochenende angesammelt hatte, geleert (wie viel schönes Essen mussten wir da in den Müll schmeißen *seufz*) und sauber wieder mitnehmen wollte. Ich bin soooo dankbar, dass Feliciana, Jan und Firiann (ich hoffe, jetzt habe ich keinen vergessen) freiwillig noch geblieben sind und uns geholfen haben, sonst wären wir da gar nicht mehr weggekommen. Auch so hat es fast eineinhalb Stunden gedauert. In dem ganzen Spülchaos habe ich dann leider meine beste Tarteform stehen lassen :-(

Mit Schrumpelfingern setzten wir uns - nach einem Abschiedsfoto - anschließend ins Auto und begannen unseren Rückweg über das Mienenfeld, das sich Zufahrtsweg nennt. Da wir Feliciana noch zwischen Oloriel und Tamira gequetscht hatten, hielt Merowyn die ganze Fahrt über Stups in seinem Käfig auf dem Schoß. Der von mir befürchtete Letzter-Tag-der-Osterferien-Stau blieb zum Glück aus, so dass wir wirklich zügig voran kamen. Um mich wach zu halten, sangen wir die ganze Fahrt über einen Filmsong nach dem anderen, vornehmlich Disney-Lieder, die machen am meisten Stimmung *g*. Als wir in Gießen am Bahnhof vorfuhren, um Merowyn und Feliciana rauszuschmeißen, müssen wir ein herrlich schräges Bild abgegeben haben. Fünf Leute steigen aus einem Auto aus und knicken fast zeitgleich zur Seite hin um, fangen sich am Auto ab und stöhnen wie alte Frauen. Während des Tanzens hatten wir gar nicht gemerkt, wie sehr wir unsere Muskeln gefordert hatten, aber nach zwei Stunden Autofahrt fühlten sich unsere Waden plötzlich an, als hätte jemand Blei hinein gegossen ;-)

Aber an solchen Überbleibseln merkt man dann doch immer, dass man richtig was geschafft hat. Es war auf alle Fälle ein supersupertolles Wochenende, das ich so schnell nicht vergessen werde. Den Larpern scheint unsere Gesellschaft auch gefallen zu haben, denn einige haben schon angemeldet, dass sie bei einer Wiederholung gerne dabei wären, yay! Dass es eine Wiederholung geben wird, steht für uns – und zum Glück auch für Bella und Miriel – außer Frage, und wir sind jetzt schon auf der Suche nach einer geeigneten Location, das heißt: Mittelalterliches Flair, aber mit gut beheizbaren Räumen *g*.

Edit: Ich habe die Fotos durch! Von den ursprünglich 400 sind noch 176 übrig geblieben, weil viele leider entweder verwackelt oder unscharf wegen von der Kälte beschlagener Linse waren. Aber alle, die ich für gut genug befunden habe, findet Ihr hier!

 

[Enlothiens Rumpelkammer] [Ueber mich] [Auenland] [Rollenspiel] [Maerkte & Events] [Fantasydays '07] [Ring*Con 2006] [Tanzworkshop] [Fantasydays '08] [Ring*Con 2008] [Schottland 2008] [Lesbar] [Schaubar] [Hörbar] [Igel] [Fotoalben] [Gaestebuch]